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Vom Sommerfest zum Wiesenfest

In den achtziger Jahren entstanden günstige Bedingungen für die Wiederbelebung des traditionellen Wiesenfestes. Die politisch Verantwortlichen hatten wohl erkannt, dass neben den „revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterklasse“ auch kulturelle Traditionen gepflegt werden müssen. Dazu kam, dass besonders im Sperrgebiet das kulturelle Leben immer mehr beeinträchtigt wurde und ein starkes Bedürfnis der Bevölkerung nach Geselligkeit vorhanden war. So gab es z. B. in den einzelnen Wohnbezirken Straßenfeste. Besonders beliebt waren das Winkelfest und die Markttage, welche der Winkelclub organisierte.

 
Die Wiederbelebung des Wiesenfestes begann mit einem Sommerfest, das am 21.06.1980 auf dem Turnhallengelände und im Turnhallensaal, trotz aller Probleme und Behinderungen, die das Sperrgebiet mit sich brachte, stattfand. Das Fest wurde organisiert von den aktivsten Bewohnern der Straßengemeinschaft Schulstraße/Amtsgerichtsweg des Wohnbezirkes I.
 
Wegen der großen Resonanz in der Bevölkerung fassten die Organisatoren den Beschluss, 1981 das zweite Sommerfest durchzuführen. Erstmalig gab es einen Lampionumzug und ein Lagerfeuer.
 
  Kinderumzug 1982
Sommerfest 1982, Foto: Drogerie Bahner
 
 
Vergnügen konnte man sich bei Karussellfahren, im Bierzelt, beim Pendelkegeln, Preisschießen und bei Kutschfahrten. Bauernbrot und Erzeugnisse des Territoriums wurden zum Kauf angeboten. Nachdem auch dieses Fest ein großer Erfolg geworden war, erinnerten sich viele Hirschberger an das größte Volksfest der Region in früherer Zeit, an das Hirschberger Wiesenfest.
 
So kamen die Organisatoren der Sommerfeste auf den kühnen Gedanken, ein Sommerfest, ähnlich dem Wiesenfest, für das Jahr 1982 zu organisieren. Dazu gehörte aber unbedingt ein Riesenrad, welches das Wahrzeichen der früheren Wiesenfeste war.
 
 
Müllers Riesenrad 1982
Nach langen, geduldigen und zähen Verhandlungen erklärten sich die Schaustellerfamilien Horst Müller und Lothar Walther aus Karl-Marx-Stadt, dem jetzigen Chemnitz, bereit, mit Riesenrad, Los- und Schießbude, nach Hirschberg zu kommen.
 
Außerdem standen auf dem großen Sportplatz noch ein Bierzelt (aus zwei kleinen zusammengesetzt), eine Bühne und viele kleine Verkaufsstände nebeneinander. Ein Blasorchester aus Cheb
spielte am Sonnabend zum Tanz und am Sonntag zum Frühschoppen.
 
Es fand sogar ein Abschlussfeuerwerk statt.
 
 
 
 
 
 
                                         Müllers Riesenrad, Foto: Drogerie Bahner 
 
 
Höhepunkt für die Hirschberger und ihre Gäste war der Festumzug am Sonntag. Was laufen konnte strömte zum Festplatz, um sich vor allem auch den Umzug anzusehen, der, altem Brauch zufolge, von den Kindern mit Blumenbogen gestaltet wurde.
 
Viele ältere Zuschauer hatten - in Erinnerung an ihre eigene Kindheit - Tränen in den Augen. So ähnelte das 3. Sommerfest schon dem traditionellen Wiesenfest und seiner Wiederbelebung stand fast nichts mehr im Wege.
 
Mit welchen Problemen die Organisatoren allerdings zu kämpfen hatten, kann heute kaum einer mehr ermessen. Es hört sich sehr abenteuerlich an, unter welchen Schwierigkeiten z.B. das Benzin für die Schausteller beschafft werden musste oder die Passierscheine für das Sperrgebiet erwirk wurden.
 
Nur mit großem organisatorischem Aufwand konnte die Versorgung der Festbesucher abgesichert werden.
 
Die Organisation lag in den Händen engagierter Bürger, die aus eigener Initiative und in ehrenamtlicher Tätigkeit die notwendigen Arbeiten leisteten.
 
Unterstützt wurden sie von der Stadtverwaltung Hirschberg, den Betrieben der Stadt und der Umgebung
  
Ab 1983 hieß das Sommerfest nun wieder Wiesenfest. Es wurde von da ab jährlich (stets am letzten Augustwochenende, von Donnerstag bis Sonntag), trotz Widerstand einzelner SED-Funktionäre im Kreis, veranstaltet. Die Regie hatten der Rat der Stadt und die Straßengemeinschaft Schulstraße/Amtsgerichtsweg.
 
1984 wurde das Wiesenfest nicht erlaubt, weil in Hirschberg im Juni die Arbeiterfestspiele stattfanden. Trotzdem ließen es sich die Hirschberger nicht nehmen und feierten Ende August das Fest als Sommerfest.
 
Plakat Sommerfest 1984
 
 
 
Bühne beim Sommerfest 1984
Bühne auf dem Sportplatz beim Sommerfest 1984, Foto: Drogerie Bahner
 
 
Ab 1985 bereitete ein Festausschuss, unter Vorsitz der Bürgermeisterin Ilse Stohr, das Wiesenfest vor. Die Verantwortung lag nun wieder in den Händen des Rates der Stadt im Zusammenwirken mit dem Stadtausschuss der Nationalen Front, den Ausschüssen der Wohnbezirke sowie den Betrieben und der LPG der Region. Sie wurden unterstützt von den bisherigen Organisatoren des Wohnbezirkes I. Zu diesem Fest konnten die Besucher eine eigene, neue Festbühne einweihen. Sie war von Einwohnern der Stadt Hirschberg angefertigt worden.
 
 
Volkstanzgruppe der Schule
Volkstanzgruppe der Schule, Foto: Privatbesitz
 
Das Wiesenfest begann am Donnerstagabend mit dem Fest der 10.000 Lichter. Zu diesem Zweck wurden auf dem Festplatz und in seiner Umgebung - im Wohnbezirk I- unzählige Kerzen angezündet, die im Gedenken an den Weltfriedenstag (1. September) die Menschen zum friedlichen Nebeneinander ermahnen sollten.
 
Kinder und Jugendliche trafen sich zum Lampion- und Fackelumzug. An allen vier Abenden konnten sich die Wiesenfestbesucher bei Tanz und Geselligkeit im Festzelt vergnügen. Sonnabend und Sonntag fand der „Wiesenfest-Markttag“ statt. Zuerst standen die Verkaufsbuden auf dem Festplatz, später entlang der Schulstraße. An allen Wiesenfesttagen gab es sportliche Wettkämpfe. Sonntagvormittag lockte der musikalische Frühschoppen die Besucher ins Zelt.
 
 
Umzugsteilnehmer auf der Bühne
 Umzugsteilnehmer auf der Bühne, Foto: Privatbesitz
 
Zu den Höhepunkten zählten der Umzug, die Verlosung der Wiesenfestgewinne und das abschließende Feuerwerk. Immer mehr Schausteller und Fahrgeschäfte zog es nach Hirschberg. An den sportlichen und kulturellen Veranstaltungen wirkten die Vereine, die Schule und die Kindergärten mit. Viele ehrenamtliche Helfer aus der Bevölkerung waren tätig.
 
 
Für jene Bürger, die nicht in Hirschberg wohnten, war die Teilnahme am Wiesenfest mit Schwierigkeiten verbunden.
 

Die auswärtigen Arbeiter der Lederfabrik wiesen sich bei der Einreise mit ihrem Arbeitsstempel aus. Die Namen der Familienangehörigen wurden auf Listen erfasst und der Betrieb versuchte dann, in Absprache mit dem Volkspolizeikreisamt, die Einreisegenehmigungen (Passierscheine) für diese Personen zu erhalten.

 

Auch die Mitglieder der Kulturgruppen, der Kapellen, der Schausteller usw., die von außerhalb kamen, benötigten Passierscheine. Auf diese Weise wurde das Wiesenfest bis zum Jahre 1989 begangen.

 
Festplatz

     Blick auf den Festplatz, Foto: Drogerie Bahner      

 
 
Das Jahr 1990 war ein besonderes Jahr in der Geschichte des Wiesenfestes.
 Nach der politischen Wende eröffnete Bürgermeister Rüdiger Wohl wieder ein "grenzenloses" Wiesenfest. Hirschberg war nun kein Sperrgebiet mehr und die Besucher aus Thüringen, Sachsen und Bayern konnten ungehindert nach Hirschberg reisen.

1993: Stadtrat und Ehrengäste
1993: Stadtrat und Ehrengäste, Foto: Privatbesitz
 

Es war ein Fest in Freiheit und ein Fest der Wiederbegegnung. Ehemalige Hirschberger strömten herbei und so wurde der Wiesenfestplatz zum Treffpunkt für Verwandte, Freunde und Bekannte aus Ost und West. Beinahe jedoch wäre das Wiesenfest 1990 "ins Wasser gefallen". Ein Sturm zerstörte das bereits errichtete große Festzelt, das die Stadt im Jahre 1985 angeschafft hatte. Durch die unbürokratische Hilfe der Bürgermeisters von Berg, der bei der Beschaffung eines 1000-Mann-Zeltes behilflich war, konnte das Fest in letzter Minute gerettet werden.

 

Im Festzelt 1991
 
Wiesenfest 1991: im Bierzelt, Foto: Drogerie Bahner

 
Zum 75jährigen Jubiläum des Wiesenfestes im Jahre 1927 drückte der Hirschberger Richard Hofmann seine Gedanken in folgenden Versen aus:
In Hirschberg an der Saale Strand,
Da herrschet frohes Leben.
Versetzt ist in den Ruhestand
Heut alles Müh'n und Streben,
Denn Schule, Rathaus und Fabrik
S' ist alles zu, du hast kein Glück.
 
: Wirst selbst nicht los die Steuern,
Mußt eben auch mit feiern. :
 
 
Für Hirschberg an der Saale Strand
Wird dann das fest zum Segen.
Und knüpft ein frohes Heimatband
kommt man sich stets entgegen.
Drum welches Standes ihr auch seid,
Euch herzlich mit den Kindern freut.
 
: Ruft alle Freunde, Gäste:
Ein Hoch dem Wiesenfeste. :
 
 

Möge den Hirschbergern und ihrer Stadt sowie den Gästen aus nah und fern in Zukunft ein Wiesenfest in Frieden und Freiheit beschieden sein!

 

 
 

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